Tech4Germany - Fellowship

Ein Gastbeitrag von Benjamin Degenhart, Engineering Fellow bei Tech4Germany 2020

Von Juli bis Oktober 2020 fand das Tech4Germany Fellowship unter der Schirmherrschaft des Chefs des Bundeskanzleramtes Prof. Dr. Helge Braun zum dritten Mal statt. 32 Digital-Talente aus den Disziplinen Product, Design und Engineering kamen in Berlin zusammen, um für 12 Wochen an konkreten Herausforderungen der Verwaltung zu arbeiten. 

Im Vorfeld hat eine externe Jury aus 70 Bewerbungen 8 Projekte ausgewählt, an denen die Fellows arbeiten werden. Eines davon war das Projekt “Open Data Portal”, mit dem Auswärtigen Amt und GovData als Projektpartner. In Folge gab es vor dem Start des Fellowship Programms mehrere vorbereitende Treffen der sog. Digitallotsen (Jemila Kehinde und Jens Schüring vom Auswärtigen Amt und Antje Göldner, Christian Horn und Christian Wittig von GovData) und den Tech4Germany Programmleitern (Sonja Anton und Florian Zechmeister), um den Projektrahmen abzustecken und initiale Interviewpartner zum Einstieg in das Thema für die Fellows zu identifizieren.

Onboarding und Projektstart

Zum Start des Fellowships wurden die Fellows in 8 interdisziplinäre 4er-Teams aufgeteilt. Zusätzlich wurde jedem Fellow ein Mentor:in zur Seite gestellt, der den Fellow während der 12 Wochen persönlich und professionell begleitete. Dann war es schließlich soweit, dass sie in ihren jeweiligen Projekten mit dem Ziel starten konnten, prototypische Softwareprodukte unter Einsatz von agilen und nutzerzentrierten Methoden zu entwickeln. So kam es, dass sich zwei Design Fellows (Daniela Vogel und Nele Lüpkes), ein Product Fellow (Tjorven Rohwer) und ich (Benjamin Degenhart, Autor dieses Gastbeitrags) als Engineering Fellow hochmotiviert und voller Tatendrang im Projekt “Open Data Portal” wiedergefunden haben.
Unsere Ausgangsfragestellung war, wie die Plattform GovData für Datenanwender:innen und/oder Datenbereitsteller:innen nutzerfreundlicher gemacht werden kann, um die Zahl der bereitgestellten Daten als auch die Nutzungsstatistik selbiger zu erhöhen. Das Auswärtige Amt als Projektpartner stand dabei exemplarisch für ein Ministerium, das bisher nur wenige offene Daten auf GovData veröffentlicht hat, obwohl die Bereitschaft dazu und Daten vorhanden wären.
Die erste Woche war als Onboarding-Woche konzipiert, in der wir die anderen Fellows, unsere Mentor:innen und unsere Digitallotsen kennenlernen durften. Zudem wurde viel spannender Input für uns  im Rahmen einer Public Sector University organisiert. Danach ging es dann mit Vollgas in den Projekten los.

Die Problemkrake

Unsere zweite Woche war bereits dicht gepackt mit Interviews, die für uns vorbereitet wurden. Datenanwender:innen wie Wissenschaftler:innen oder Datenjournalist:innen, Datenbereitsteller:innen und Expert:innen aus der Open Data Community waren dabei vertreten. Diese Expert:inneninterviews haben uns sehr geholfen, uns schnell in die Materie einzuarbeiten. Parallel dazu hatten wir eine Research-Spalte in Trello, einem Tool, das wir zur Aufgabenverwaltung benutzt haben und die beinahe schneller anwuchs, als wir mit dem Lesen hinterher kamen. Nach jedem Interview haben wir unsere Einsichten mittels virtueller Post-Its im Whiteboard-Tool Miro festgehalten. Daraus hat sich nach vielen Diskussionen und herum-arrangieren der Post-it Kategorien eine Struktur entwickelt, die wir “Problemkrake” getauft haben. Der Begriff hat sich offenbar herumgesprochen, denn schon bald kamen andere Teams zu uns und fragten, was es denn damit auf sich hat. Ein Beispiel dafür, wie die 8 Projektteams auch untereinander regelmäßig im Austausch standen. 


Neben dem wohlwollend stark ausgeprägten Flurfunk, bspw. über verwendete Methoden oder mögliche Ansprechpartner gab es wöchentliche Lunch-Dates, wo Fellows zufällig miteinander gepaart wurden. Zudem wöchentliche All-Hands- und Townhall Meetings und selbstorganisierte Roundtables der jeweiligen Disziplinen unter sich. Als super wertvolles Format hat sich auch der wöchentliche Demo-Lunch herausgestellt, in dem jeweils 4 Teams ihren aktuellen Stand präsentieren und alle anderen um Feedback bitten können. Diese Möglichkeit auf diese Art schnell und viel konstruktives Feedback zu bekommen wurde ausgiebig genutzt - jedes mal beeindruckend, wie schnell sich die Google Docs, Miro Boards oder User Testing Tools mit Input gefüllt haben. 

Vom Design Thinking zur konkreten Idee

Dem Design Thinking Ansatz folgend haben wir versucht, so lange wie möglich mit konkreten Lösungsideen zu warten und zunächst den Problemraum aufzuspannen und darin zu priorisieren.  So haben wir in einem der wöchentlichen Jour fixes mit unseren Digitallotsen darüber abgestimmt, auf welche Problemkategorien( Knotenpunkte in der Problemkrake quasi) wir uns fokussieren wollen. Nach dieser ersten wichtigen Fokussierung haben wir sog. Personas entwickelt, um empathisch und detaillierter aus bestimmten Blickwinkeln auf die Probleme zu blicken. Personas dienen dazu, Nutzer:innen stereotypisch zu visualisieren und zu charakterisieren, basierend auf den Eindrücken unserer Interviews. Was für Erwartungen an GovData hat bspw. “Wolfram Wissenschaftler” im Vergleich zu “Bärbel Bürgerin” und “Samira Sekretärin in der Verwaltung”. 

Mit der Kombination von Personas und Problem-Statements haben wir schließlich feierlich den Lösungsraum betreten und angefangen konkrete Ideen zu brainstormen. Diese wiederum haben wir nach denjenigen mit dem größtmöglichen Hebel für Veränderung gefiltert und die verbliebenen nach verschiedenen Gesichtspunkten auf jeweils einem Idea Canvas beschrieben und bebildert. Die resultierenden Idea Canvases haben wir dann mittels einer Abstimmungsmatrix auf zwei Ideen reduziert und diese in einer gut besuchten Zwischenpräsentation am 1. September vorgestellt. 

GUIDO, der Open Data Process Guide

Nach Auswertung des Feedbacks von der Zwischenpräsentation und im Gespräch mit unseren Digitallots:innen haben wir uns dann entschieden, “GUIDO”, den “Open Data Process Guide” bis zum Ende des Fellowships prototypisch umzusetzen. GUIDO soll in Ministerien zum Einsatz kommen und dort Mitarbeitende durch den Prozess der Veröffentlichung von offenen Daten führen. Dabei werden u.a. Aspekte der Datenqualität, gründliche Metadaten und eine rechtliche Prüfung inkl. der Lizenzfrage geklärt. Damit haben wir uns also entschieden, für die Seite der Datenbereitsteller:innen eine Lösung zu erarbeiten - und davon die Untergruppe der Ministerien und Behörden des Bundes. GovData harvested darüber hinaus auch automatisiert alle teilnehmenden Landesportale. 

Zu dem Zeitpunkt war bereits fast die Hälfte der 12 Wochen vorbei. Diese lange Phase der Festlegung auf eine Idee ist aber nicht unüblich in agilen Prozessen und verdeutlicht, wie wichtig es genommen wird, den möglichst wirksamsten Ansatz zu finden, der maximal nutzerzentriert ist und Interessen ausbalanciert. 

Während Tjorven, wie bisher auch schon, weiter meisterhaft Termine koordinierte, in Kontakt mit Stakeholdern war und uns sensibel durch das Meer an Methoden schiffte, machten sich Nele und Dani ans Werk einen Klickdummy in Adobe XD zu entwickeln um unser Konzept für GUIDO an verschiedenen potentiellen Nutzern der Software zu vertesten. Dabei kamen einige unserer vorigen Interviewpartner zum Einsatz - eine schöne Möglichkeit zu zeigen, was sich seitdem getan hatte. Basierend auf deren Feedback optimierten wir sowohl die Bedienungslogik als auch das Design weiter.

Vom Klickdummy zum Prototypen

In Anlehnung an den Klickdummy konnte ich indes mit der Implementierung des Prototyps beginnen. Nach Abwägung verschiedener Optionen haben wir uns für eine React App innerhalb eines sog. Web Part in Microsoft SharePoint entschieden. Somit kann GUIDO in SharePoint Seiten eingefügt werden und dort von allen angemeldeten Nutzern benutzt werden. Wir haben uns auf die Bindung an ein Microsoft Produkt eingelassen, weil es eine in Ministerien verbreitete Technologie zu sein schien und auch mit der Argumentation, dass die React App ggf. relativ leicht auch wieder aus dem SharePoint-Kontext “herausoperiert” werden könnte, falls es in eine andere Umgebung deployed werden soll. 

GUIDO - wie geht es weiter?

Nachdem Design und Engineering eine Weile lang parallel und auch in wechselseitiger Symbiose weiterentwickelt hatten, ging es dann schon an den Endspurt: die Vorbereitung der virtuellen Abschlusspräsentation, ein ausführliches Readme im GitHub Repository und Übergabedokumente wie ein Implementierungsplan und die Projektdokumentation. Viel diplomatische Zeit haben wir auch verwendet, um in Gesprächen mit verschiedenen Stakeholdern zu erörtern, wie GUIDO in bestehende und kommende Software- bzw. Beratungssysteme “eingepuzzelt” werden könnte. So können sich Ministerien und Behörden bspw. an das Kompetenzzentrum Open Data (CCOD) mit Fragen rund um die Veröffentlichung von offenen Daten wenden. GUIDO für die Aufnahme in das Beratungsportfolio des CCODs zu positionieren, erschien uns insofern als die nachhaltigste Strategie. Gleichzeitig ist aber auch ein sog. IT-Unterstützungstool als Großprojekt im Rahmen der Dienstekonsolidierung  des Bundes geplant, bei dem GUIDO unserer Meinung nach hervorragend den Baustein übernehmen könnte, der die Brücke zur alltäglichen Arbeit der Mitarbeitenden schlägt. Hierbei sind aber Verantwortlichkeiten und verwendete Technologien noch so unklar, dass wir keine Chance gesehen haben GUIDO gezielter zu positionieren. So blieb seine Zukunft leider bis zuletzt unklar und sie ist es auch weiterhin. Wir sind aber zuversichtlich, dass einige der guten Ideen, die hineingeflossen sind, in anderen Formen weitergetragen werden. Auch hoffen wir, dass unsere teils sehr aktive Vernetzungen verschiedener Akteure Impulse oder zumindest Referenzen für zukünftige Entwicklungen setzen konnten.

Das ganze Fellowship stand natürlich unter dem Schatten der Corona-Pandemie. Es wurde stets sehr sensibel und verantwortlich gehandelt. Gegen Ende hin hatten wir einen Home-Office Schichtplan damit die in zwei Gruppen aufgeteilten Teams sich nicht überschneiden im Büro und die Abschlussveranstaltung wurde online gestreamt statt eines,  wie ursprünglich geplanten, Live-Publikums. Siehe die Aufnahmen hier.

Abschließend möchte ich den Digitallots:innen für die konstruktive und angenehme Zusammenarbeit und unseren Mentor:innen für die wertvolle Unterstützung danken. Und natürlich dem grandiosen Team von Tech4Germany, die dieses Abenteuer möglich gemacht haben und ein phänomenales Ökosystem dafür erschaffen haben. Ich fühle mich durch die Erfahrung sehr bereichert und kann es nur wärmstens empfehlen. 

Auf diese Seite sind weitere Informationen über unser Projekt “Open Data Portal” zu finden, inklusive Links zur Dokumentation und dem GitHub Repository.

 

P.S.: Die Bewerbung für das Tech4Germany Fellowship 2021 ist noch bis zum 14. Februar möglich. 

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